Wir brauchen „Revolutionary Minds“…

…um die großen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Ein Kartenset um Kreativität im Team zu befähigen, die Perspektive zu wechseln, den Startpunkt für Innovation und Change zu finden oder einfach nur um Innovationsfreude zu vermitteln.

Eine kurze Entstehungsgeschichte

Den Perspektivenwechsel spielerisch zu befähigen – so lautete die Herausforderung für die Studierenden der Visuellen Kommunikation an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim. Herausgekommen ist das Kartenset Revolutionary Minds. A toolkit for changing your perspective and boosting team creativity, das wir vom HEED der HS-Pforzheim gemeinsam mit dem BIS Publisher Verlag veröffentlichen durften.

Im SS 2022 konnten wir Sebastian Hackelsperger in seiner Rolle als Professor an der Fakultät für Gestaltung und Leiter des Studiengangs Visuelle Kommunikation dazu gewinnen, Studierende für ein Semester auf die Herausforderung loszulassen, ein Kreativitätstool für die Hochschule zu entwickeln, ganz im Sinne der strategischen Ausrichtung „Führend durch Perspektivenwechsel„. Insgesamt fünf Teams haben sich in diesem Rahmen auf den Weg gemacht – das Ergebnis des Gewinnerteams ist nun weltweit im Buchhandel erhältlich ( Google Suche – ISBN 9789063696832) .

Worum geht es?

Ähnlich anderer Ansätze der systematischen Variation möchten wir mit dem Kartenset „Revolutionary Minds“ einen Ansatz zur Verfügung stellen, bei dem die eigene Perspektive bewußt in Frage gestellt werden soll. Gängiger Einsatzbereich ist in Kreativ-Workshops, der Ideen- oder Lösungsentwicklung um Ideen und Lösungen aus alternativen Perspektiven zu entwickeln. Möglich ist aber auch der Einsatz bei Strategie- und Change-Workshops oder als Warm-Up für sonstige Aktivitäten. Dabei ist sowohl der punktuelle Einsatz des Kreativitäts-Tools als auch die kontinuierliche Unterstützung bspw. durch den Einsatz der Revolutionary Minds bei Meilenstein-Reviews möglich (Wie würden beispielsweise Steve Jobs und Frida Kahlo die erreichten Ergebnisse beurteilen)

Es gilt , die Perspektive der Revolutionary Minds einzunehmen. Die Visualisierung in Halbportraits lädt zur kombination und zur Zusammenstellung von Teams ein, um mehr als eine Perspektive zu berücksichtigen. Auf einzelnen Karten sind die markantesten Charaktermerkmale kurz dargestellt, ergänzt durch ein Zitat der jeweiligen Persönlichkeit – zu denen sich im Internet durchgängig weitere Informationen finden. Die Perspektiven der zusammengestellten Teams aus Revolutionary Minds können einzeln oder in Gruppen eingenommen werden, um die daraus entstehenden Ansätze dann in den Prozess der Lösungsfindung einfließen zu lassen.

Ambitionierte Lösungen sind häufig mit einem hohen Grad an Diversität im beteiligten Team verbunden – sei es der Grad an Interdisziplinärer Zusammenarbeit, die Vielfältigkeit an Bevölkerungsgruppen oder die kulturelle Vielfalt. Für radikale Innovationen, die einen hohen Leistungsfortschritt gegenüber des Status Quo mit sich bringen, trifft dies ebenso zu. Mit dem Kreativitäts-Toolkit Revolutionary Minds soll genau dies unterstützt werden. Hierzu sind 40 Persönlichkeiten ausgewählt worden, die sowohl unterschiedliche fachliche Disziplinen repräsentieren – aber auch aus unterschiedlichen Weltregionen stammen und Bevölkerungsgruppen repräsentieren. Dazu gibt es „Freikarten“ durch die eigenständig weitere Persönlichkeiten ergänzt werden können.

Los geht es: „Was würde(n) ___ tun?

Der Einsatz des Revolutionary Minds Kartenset ist kein Hexenwerk. Sei es in Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Schulen – eine kurze Anleitung im Kartenset beschreibt die Grundprinzipien und unterstützt den Einsatz. Im Grunde geht es um den Perspektivenwechsel für eine festgelegte Herausforderung: „Was würde(n) ___ tun?„.

Unsere Arbeit am HEED wird dankenswerter Weise durch die Karl Schlecht Stiftung unterstützt und finanziert. Das sollte hier auf keinen Fall unerwähnt bleiben – und bietet uns die Chance zwischen den drei Fakultäten der HS-Pforzheim (Gestaltung – designPF, Wirtschaft & Recht- businessPF, Technik – engineeringPF) in einem interdisziplinären Team spielerisch zur innovativen und unternehmerischen Persönlichkeitsentwicklung beizutragen – nicht nur bei unseren Studierenden, sondern auch in Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen.

Und hier noch auf der Ton/Video-Spur ein paar Einblicke der Autoren:

Wir wünschen viel Freude und Erfolg im Perspektivenwechsel! Wer für einen besonderen Einsatzzweck ein Exemplar des Kartensets benötigt – und dies nicht über den Buchhandel bestellen kann/möchte – gerne bei uns melden!

Weitere Informationen:

📷 by Anna Waldinger & Franziska Buschinger

Sven Schimpf

3 Fragen an…

Im Gespräch mit dem Team der Karl Schlecht Stiftung – Verfügbar auch direkt auf der Stiftungs-Webseite unter https://www.ksg-stiftung.de/3fan-schimpf

In unserer Reihe „3 Fragen an…“ sprechen wir mit Partnern und Persönlichkeiten aus unserem Stiftungsnetzwerk und geförderten Projekten über das Thema Good Leadership.

Unsere drei Fragen richten wir heute an Dr. Sven Schimpf, Professor für Innovations- und Interdisziplinaritätsforschung am Institut für Human Engineering & Empathic Design (HEED) der Hochschule Pforzheim und Geschäftsführer des Fraunhofer-Verbunds Innovationsforschung.

Das Institut beschäftigt sich mit viele Themen aus dem Bereich Entrepreneurship und begleitet die Studierenden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Auch betreut das HEED den „Maker Space“ an der Hochschule Pforzheim und ist im Beirat unserer Themenkampagne „Führung +X“.

Herr Schimpf, was bedeutet für Sie Good Leadership?

„Mit Blick auf die Themen Innovation und Interdisziplinarität stehen neben grundsätzlicher Unterstützung und strategischer Zielfindung für eine gute Führung vor allem die Themen der Empathie – bzw. des Perspektivenwechsels – sowie die Freiheitsgrade für die Generierung und Umsetzung von Ideen zu Innovationen im Vordergrund. Gute Führung beinhaltet daher neben dem Tagesgeschäft, über die Grenzen der eigenen Disziplinen und des Status Quo hinauszudenken und die Mitarbeiter auf dem Weg in eine oftmals ungewisse Zukunft zu unterstützen.

Welches Vorbild zu Good Leadership (Person, Institution etc.) haben Sie und warum?

Das eine Vorbild zum Good Leadership ist schwer zu finden, daher versuchen wir von unterschiedlichen Vorbildern zu lernen. Ich persönlich muss immer wieder an einen Ausspruch meines ehemaligen Institutsleiters, in seiner Zeit als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Hans-Jörg Bullinger, denken. Zur Frage nach seinem Erfolgsrezept hat er die Eigenschaft hervorgehoben, den Mitarbeitenden nicht im Weg zu stehen. Am Institut für Human Engineering & Empathic Design orientieren wir uns häufig am Leitsatz von Erich Fromm, dass Kreativität den Mut erfordert, Gewissheiten loszulassen. Das gilt ganz besonders für gute Führung, bei der die Gewissheiten von gestern nicht unbedingt die Gewissheiten von heute oder morgen sind.“

Welche persönlichen Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig für Good Leadership?

Für mich persönlich ist eine Mischung aus Neugierde, Mut und Flexibilität die Eigenschaft, die gute Führung ausmacht. Und darüber hinaus natürlich ganz wichtig, die Zusammensetzung des Teams, die jenseits der Führung häufig erfolgsentscheidend ist.“

Sven Schimpf

Eine Straßenkarte für die strategische Planung: Wie kommen Roadmaps in der Praxis tatsächlich zum Einsatz?

Ja klar nutzen wir Roadmaps bei uns in der Organisation“ – das ist die Antwort, die bei der Erwähnung der Methode häufig als direkte Antwort kommt. Schon mit der Rückfrage, welche Ebenen denn in den Roadmaps abgebildet werden – klassischerweise Technologien, Produkte und Märkte – müssen viele Ansprechpartner dann passen. Es stellt sich heraus, dass der Begriff der Roadmap häufig für Projektpläne, die Formulierung von Zielstellungen oder eine Vision verwendet wird. Dieses Phänomen wollten wir mit unserer ersten Durchführung der Praxisstudie Roadmapping etwas genauer untersuchen – und gleichzeitig einen Impuls geben, wie Roadmaps im Umgang mit komplexen (Innovations-)Systemen genutzt werden können. Unsere Studie von damals konnten wir nun in einem internationalen Team und mit vielen Ergänzungen auf den aktuellen Stand bringen.

Was sind Roadmaps überhaupt und wo kommen diese zum Einsatz? Wir verstehen unter Roadmapping ein Werkzeug der strategischen Planung oder des strategischen Managements. Es geht darum, in einem längerfristigen Zeithorizont die Navigation in komplexen (Innovations-)Systemen zu unterstützen. Dazu gehört die Zielfindung ebenso wie der Vergleich unterschiedlicher Handlungsoptionen. Wichtige Elemente einer Roadmap sind die Zeitachse in der der Status Quo, das Zielbild und der Weg zwischen beidem abgebildet wird, und die Abbildung unterschiedlicher Ebenen wie bspw. Technologien, Produkte und Märkte, aber auch Kompetenzen, Komponenten, Prozesse oder Trends.

Roadmaps ermöglichen es, in Anlehnung an die Metapher einer Straßenkarte, unterschiedliche Wege zu einem strategischen Ziel zeitlich einzuordnen, zu verknüpfen, übersichtlich darzustellen und über Organisationseinheiten hinweg transparent planbar zu machen.

Nun zu unserer Studie. Wie bei der ersten Durchführung besteht unsere Zielgruppe aus Organisationen, bei denen Roadmaps im Einsatz sind. Im Update der Studie konnten wir über eine Online-Umfrage 190 Teilnehmende gewinnen. Die Fragen zielen dabei sowohl auf die Inhalte und Ausgestaltung der Roadmaps selbst als auch deren organisatorische Einbindung ab. Daraus ergeben sich vier Gliederungspunkte:

  • Einsatzbereiche und Inhalte von Roadmaps
    Zu welchem Zweck kommen Roadmaps in Organisationen zum Einsatz, welche Inhalte werden über welche Reifestadien hinweg darin abgebildet und welcher Zeithorizont wird berücksichtigt?
  • Organisatorische Einbindung
    In welchen Organisationsbereichen liegt die Zuständigkeit für die Konsolidierung von Roadmaps, wie werden andere Bereiche eingebunden, welche Aktivitäten sind als Prozesse definiert und in welchem Zeitabstand werden die Roadmaps aktualisiert?
  • Informationsquellen, Methoden und Tools
    Auf welche Informationsquellen wird für den Aufbau und die Aktualisierung von Roadmaps zurückgegriffen, welche Methoden komplettieren den Einsatz von Roadmaps und welche Software- und Datenanalyse-Tools kommen unterstützend zum Einsatz?
  • Herausforderungen und Best Practices
    Wo liegen die wesentlichen Herausforderungen des Roadmapping, welche Methoden, Strukturen und Prozesse werden von teilnehmenden Organisationen als empfehlenswert erachtet und was sollte bei der Einführung oder Verstetigung von Roadmaps unbedingt vermieden werden?

Die Auswahl für einen Einblick in die Ergebnisse ist nicht einfach. In der Studie wird sowohl der jeweilige aktuelle Stand dargestellt. Dazu wird auf die Veränderungen im Vergleich zur Durchführung er Studie 2015 und auf die Korrelationen zwischen den unterschiedlichen Ausprägungen eingegangen. Als kleiner Einblick, hier die Übersicht zu den wichtigsten Informationsquellen, die von den Teilnehmenden für die Erstellung und das Update von Roadmaps zum Einsatz kommen. Es zeigt sich hier, dass unter den Teilnehmenden die Marktperspektive die mit Abstand wichtigste Informationsquelle zu sein scheint. In einer detaillierteren Analyse in kombination mit den weiteren Ergebnissen hat sich auch gezeigt, dass diese Marktorientierung sich nicht unbedingt konsistent in den Verantworltlichkeiten widerspiegelt. Ebenso zeigt sich, dass die Nutzung von Informationsquellen mit der Branche der teilnehmenden Organisationen korreliert.

»Was sind die wichtigsten externen Quellen für die Aktualisierung von Roadmaps?« (n=130, Mehrfachnennung möglich), Praxisstudie Roadmapping Update 2023, Seite 18

Die weiteren Einblicke finden sich direkt in der Studie, die als Open Access Veröffentlichung in deutsch und englisch zum kostenfreien Download zur Verfügung steht.

Sven Schimpf

Innovation in Babylon

Wir kennen es von Begriffen, die an Beliebtheit gewinnen. In der Innovationsforschung ist das mit dem Begriff der Innovation seit mehreren Jahrzehnten der Fall – fast kann von babylonischen Verhältnissen gesprochen werden. Ähnliches ist bei der Nachhaltigkeit oder auch der Disruption zu beobachten. Alle sprechen darüber – aber worüber eigentlich?

Es kann große Unterschiede machen, wie das Verständnis einer Innovation ausgeprägt ist: Stellen Sie sich vor, ein Diskussionsteilnehmer versteht unter Innovation die kleinen Verbesserungen des Status Quo, zu denen detailliertes Fach-Knowhow benötigt wird. Ein anderer Diskussionsteilnehmer versteht unter Innovation ausschließlich die großen Innovationsschritte (radikale_Innovation / Sprunginnovation).
Beide sind sich einig, dass hierfür Investitionen getätigt werden müssen. Aber in was eigentlich? Agile und Ambidextre Organisationsstrukturen? Kernkompetenzen? Startups? Ideenmanagementsysteme? oder vielleicht in eine Innovationsroadmap?

Die Begriffsklärung ist oft nicht trivial, da es kaum richtig oder falsch im semantischen Verständnis einzelner Begriffe gibt oder geben kann. Allerdings hilft die Kenntnis des Verständnisses anderer bei jeder Diskussion. Auch die Definition beispielsweise im Unternehmensvokabular für einzelne Abteilungen oder gesamte Organisationen kann hilfreich sein.

Im Video sind Definitionen aus der Literatur gesammelt – nicht um die Herausforderung zu lösen, sondern um die Vielfalt der existierenden Definitionen zur Auswahl zu stellen. Darüber hinaus sollte für das Thema Innovation das betrachtete System (Innovationssystem) spezifiziert werden, für das ein Neuheitsgrad angestrebt wird. Hilfreich ist auch die Art der Innovation zu thematisieren (gängige Beispiele: Produktinnovation, Prozessinnovation, Serviceinnovation, Geschäftsmodellinnovation, Sozialinnovation, Technikinnovation)

Sven Schimpf

Serendipity – Scheinbar zufällige Beobachtung und Kombination eher unscheinbarer Tatsachen

Auf dem Weg von einer Idee bis zu deren erfolgreicher Umsetzung gibt es viele Stationen, Vehikel und Hindernisse. Der glückliche Zufall ist ein Element, das es nicht zu unterschätzen gilt. Doch ist es fraglich, ob wir einfach darauf warten sollten. Eine (kleine) Ode an den Begriff der Serendipität.

Wer weiß das schon? Auf dem Weg zum heutigen Erfolg des MP3 Codec ist es passiert, dass ein australischer Student die Software des Encoders gehackt und damit das Geschäftsmodell der Entwickler grundlegend durcheinander gebracht hat. Gleichzeitig hat dies nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die ganze Welt sich auf die Nutzung dieses neuen Formates gestürzt hat. Franz Miller beschreibt dies anschaulich in seinem Buch: Die MP3 Story. Hier handelt es sich tatsächlich um ein Beispiel des glücklichen Zufalls. Aber nicht umsonst wird Serendipität in der Praxisstudie Disruption von einem Drittel der teilnehmenden Unternehmen als wichtige Informationsquelle zur Identifikation potenziell disruptiver Technologien genannt. Aber muss das tatsächlich Zufall sein?


Die Sage der Prinzen von Serendip :
Drei Königskinder werden von ihrem Vater auf Reisen geschickt. Auf ihrer Reise verfolgen sie eher unscheinbare Hinweise auf ein Kamel, das den Weg vor ihnen zurückgelegt hat. Durch die Kombination dieser zufällig beobachteten Hinweise kommen sie zu verschiedenen Erkenntnissen über das Kamel sowie über dessen Ladung. Sie schlussfolgern, dass das Kamel lahmt, auf einem Auge blind ist und ihm ein Zahn fehlt. Als sie einem Händler begegnen, dem das Kamel entlaufen ist, erzählen sie ihm von ihren Erkenntnissen. Daraufhin beschuldigt der Händler sie, das Kamel gestohlen zu haben. Er verlangt vom Kaiser eine Bestrafung, denn laut ihm kann nur der Dieb des Kamels über die genannten Erkenntnisse verfügen. Dem Kaiser berichten die Königskinder von den beobachteten Hinweisen, über die sie zu den Erkenntnissen über das Kamel gelangt sind: Durch die Spuren war ersichtlich, dass das Kamel lahmt. Das Gras war von derjenigen Seite der Straße gefressen worden, wo es weniger grün ist, also hatten die Prinzen gefolgert, dass das Kamel auf der anderen Seite blind sein muss. Auf dem Weg war angekautes Gras zu finden, wodurch die Prinzen auf die Zahnlücke des Kamels schließen konnten. Am Ende der Geschichte wird das Kamel in der Wüste gefunden und der Kaiser ernennt die Königskinder aufgrund ihrer Beobachtungsgabe zu seinen Beratern.
Entsprechend der Sage der Prinzen von Serendip steht der Begriff der »Serendipity« für Erkenntnisse, die durch die scheinbar zufällige Beobachtung und Kombination eher unscheinbarer Hinweise entstehen.
(Jamison Hodges 1964, Colman 2006, zusammengefasst unter
https://en.wikipedia.org/wiki/The_Three_Princes_of_Serendip)


Dem Zufall zu Innovation auf die Sprünge helfen, so kann das Anliegen formuliert werden. Nur wer kontinuierlich in der Beobachtung des Umfeldes geschult wird und darauf aus ist neue Erkenntnisse in die Umsetzung zu bringen, kann Serendipity leben. Kinder haben diese Begabung, hinterfragen  und entdecken die Welt. Auf dem Weg in unseren Alltag steht diese Begabung häufig nicht mehr im Mittelpunkt. Es gilt diese neu zu lernen, scheinbar zufällig zu beobachten, zu entdecken und das Unscheinbare zu neuen Lösungen zu kombinieren. Nicht zuletzt in Unternehmen im Wechselspiel zwischen größeren Innovationen und effizientem Tagesgeschäft.

Sven Schimpf

Spielerei? Idee? Innovation? Weltveränderung? Oder nicht…?

Homo Faber Ludens: „der Mensch [nur] spielt, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er nur da ganz Mensch [ist], wo er spielt“ (lt. Friedrich Schiller). Spiel ist Risiko – aber spielerisch kann die Realität in einer sicheren Umgebung erprobt werden. Freies Spiel fördert Kreativität und Ideenreichtum, führt zu Neugierde und Entdeckertum – und kann knallharten Wettbewerb mit sich bringen. Alle wollen spielen. Oder zuschauen. Oder nicht?

Nur eine Spielerei – im Nachhinein lässt sich alles anders bewerten, aber hier liegt der Ursprung vieler (Sprung-) Innovationen – oder Gesellschaftsgestalter: Autos die mit Laptopbatterien fahren, eine Digitalkamera mit 0,1 Megapixeln die 3,6 kg wiegt, digitalisierte Musik die über das Telefon übertragen wird oder das erste Telefon überhaupt. Wer hätte da nicht mitspielen wollen?

Am HEED widmen wir uns dem Thema Spiel (oder Spielerei) zur Förderung von Kreativität, Innovation, Interdisziplinarität und Gründung. Für die Tagung am 5.-6. Mai haben wir (bzw. vor allem Evelyn Echle, Robert Eikmeyer und Thomas Hensel) ein Programm zusammengestellt, das Einblicke in die Wissenschaft und die Kunst des Spiels ermöglichen soll. Wir möchten für das Thema begeistern – und den Einsatz spielerischer Ansätze für den Blick über den Tellerrand einsetzen, erproben und verbreiten. Die Veranstaltung am 5.-6. Mai ist ein Startpunkt – wir sind selbst gespannt, was sich daraus entwickelt oder entwickeln wird. Kann Arbeit Spiel sein? Oder Spiel Arbeit? Und besonders freue ich mich auf die Performance „Kampf ums Spiel“ von Jonathan Meese. Als Abschluss ihn zitierend: „Los spielt endlich!“

Für alle die nicht an die Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim in der Holzgartenstraße (zwischen Stuttgart und Karlsruhe am Rande des Bläckforest im Länd) kommen können wird die Veranstaltung gestreamt – Informationen dazu folgen auf der Veranstaltungswebseite:
https://www.hs-pforzheim.de/heed/spieletagung

Sven Schimpf

Roadmapping in der Praxis: Wo stehen wir heute? Was kann verbessert werden?

Wir waren 2015/16 mit der Hypothese gestartet, dass viele Unternehmen Roadmapping zwar in der internen Planung einsetzen, aber das volle Potenzial funktions- und hierarchieübergreifender Roadmaps, in denen unterschiedliche Planungsebenen berücksichtigt werden eher selten ausgeschöpft wird. Jetzt steht ein Update unserer Studie an.

Welche Ebenen, Elemente und Zeithorizonte werden in Roadmaps abgebildet? Wer ist für die Pflege zuständig und wer liefert die Inhalte? Was sind die Informationsquellen und komplementären methodischen Ansätze, um die Inhalte von Roadmaps festzulegen und weiter zu entwickeln?

Genau das waren bereits 2015/16 die Fragen, mit denen wir uns auseinandergesetzt hatten. Nicht nur um herauszufinden, wie Unternehmen tatsächlich Roadmaps einsetzen, sondern auch, um eine Art „Selbst-Assessment“ zu liefern und mit den gestellten Fragen direkt zu einer Weiterentwicklung in den beteiligten Unternehmen zu inspirieren.

Neben Prof. Thomas Abele (TIM Consulting) haben diesmal auch Robert Phaal (IfM Cambridge) und Olivier de Weck (MIT) bei der Weiterentwicklung unserer Studie unterstützt.

Die Fragestellungen haben wir entsprechend weiter entwickelt – und nun steht ein Update der Studie an. Neben den Fragen von damals, haben wir auch zukunftsweisende Trends wie den Einsatz von Machine Learning und KI im Roadmapping berücksichtigt. Alle Teilnehmer werden natürlich als Erste zu den Ergebnissen informiert:

https://umfrage.iao.fraunhofer.de/index.php/931728?lang=de

Vielen Dank für die Beteiligung!

…und als Add-on noch ein paar hilfreiche Links zum Thema Roadmapping:

 

Sven Schimpf

Eine kurze Geschichte der Innovation in Unternehmen

Im Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung beschäftigen wir uns mit der Zukunft der Innovation. In diesem speziellen Fall weniger, wie die Innovationen, also beispielsweise Produkte, Prozesse, Dienstleistungen oder komplette Lösungen der Zukunft aussehen werden, sondern vielmehr, wie die Innovationsaktivitäten selbst aussehen werden. Hierzu haben wir vor einiger Zeit auch einen Blick in die Vergangenheit geworfen, um besser zu verstehen, wie sich das Thema Innovation in Unternehmen bisher entwickelt hat.

Innovation existiert schon so lange wie die Menschheit. Als Innovationen können hier ebenso die ersten Werkzeuge als auch die Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens gesehen werden. Was für uns im Mittelpunkt stand, war das Management von Innovationen in Unternehmen. Die Anfänge des Umgangs mit Innovationen – und speziell die Bildung von Abteilungen oder Organisationseinheiten, die sich der Entwicklung und Umsetzung neuer Lösungen annehmen – ist im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu verorten. Färbereien in Deutschland gehören zu den ersten dokumentierten Unternehmen mit einer eigenen Entwicklungsabteilung. Angelehnt an diesen Startpunkt haben wir in der Literatur in den Bereichen (1) Strategie, (2) Organisation, (3) Prozesse, (4) Mitarbeiter und (5) Methoden und Tools nach Schwerpunkten und Entwicklungen gesucht, in Anlehnung an die Kategorien des Fraunhofer FuE-Assessments.

Zusammengefasst finden sich die Erkenntnisse in den folgenden Grafiken. Die weitergehende Darstellung findet sich in unserem Beitrag hierzu für das Symposium für Vorausschau und Technologieplanung 2018:

Innovationsstrategie

Organisation von Innovationsaktivitäten

Innovationsprozesse

Mitarbeiter in Innovationsaktivitäten

Methoden und Tools zur Unterstützung von Innovationsaktivitäten

Neben den Entwicklungen in jedem dieser Bereiche lassen sich über die Zeit auch unterschiedliche, relativ konstante, Entwicklungstrends erkennen. Immer wird von einer steigenden Komplexität geredet. Vor einigen Jahrzehnten schwerpunktmäßig durch die steigende Wichtigkeit der Märkte, neben dem bis dahin gängigen Fokus auf Technologien. Auch die Diversität mit Hinblick auf die Einbindung unterschiedlicher Disziplinen, Kulturen und Personenkreise steigt kontinuierlich immer weiter an. Ebenso kommen neue Anforderungen hinzu und Bereiche konvergieren.

Was lässt sich mitnehmen? Die Art wie innoviert wird, ändert sich beständig. Die kommenden Generationen werden das anders machen als ihre Vorfahren. Soweit so gut. Für Unternehmen gilt es, neben dem Outcome, d.h. den zu entwickelnden Produkten, Prozessen, Dienstleistungen oder Lösungen, auch die Innovationsaktivitäten selbst regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen und zeitgemäß weiterzuentwickeln. Die Kategorien (1) Strategie, (2) Organisation, (3) Prozesse, (4) Mitarbeiter und (5) Methoden & Tools geben hierzu eine Hilfestellung – dürfen aber natürlich gerne durch jedes andere Modell des Innovationsmanagements ersetzt werden.

…und wer über das Thema Innovation die eigene Wettbewerbsposition definiert, sollte auch bei der Gestaltung der Innovationsaktivitäten selbst Raum für Experimente und für innovative Ansätze zulassen.

Weitere Informationen:

Sven Schimpf

Unboxing Science: Die Praxisstudie Disruption

Immer wieder denken wir an den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft darüber nach, wie die Ergebnisse unserer Arbeit am besten kommuniziert werden können.

Die gängige Praxis der Wissenschaft ist sehr inhaltzentriert. Analysen werden durchgeführt, Ergebnisse in Veröffentlichungen wie Studien oder Forschungsberichten veröffentlicht. Wenn das passiert ist, steht meistens bereits das nächste Projekt vor der Tür. So kommt es, dass die Öffentlichkeitswirksamkeit von Projektergebnissen sicherlich noch zu verbessern ist.

In Anlehnung an die zahlreichen, im Internet verfügbaren, unboxing Videos haben wir nun am Fraunhofer IAO ein neues Format ausprobiert: Unboxing Science. Hierbei berichten Wissenschaftler in Kurzform über die wichtigsten Merkmale und Ergebnisse ihrer Arbeit. Ich durfte mich mit der Praxisstudie Disruption mit einem Kurzvideo beteiligen und wünsche viel Spaß dabei:

Disruptive Innovation

Disruptive Innovationen sind Innovationen, die Referenzlösungen im Markt substiuieren und Investitionen beherrschender Marktteilnehmer obsolet machen und darauf basierend die Machtverhältnisse im Markt grundlegend verändern. Ein prominentes Beispiel sind Digitalkameras – die dazu geführt hat, dass traditionelle Marktführer ihre Position verloren haben und z.T.  Insolvenz anmelden mussten.

Disruptive Technologien sind Enabler für disruptive Innovationen. Für den Kameramarkt ist hier sicherlich der Sensor zu nennen. Für den Erfolg der digitalen Fotografie waren aber ebenso die Möglichkeiten der Vernetzung, Speicherung und digitalen Bildbearbeitung erfolgsentscheidend.

Weitere Informationen:

Sven Schimpf

 

Innovationsfinanzierung = Toilettenpapier?
Covid-19 und die Zukunft der Innovation

Vor 2 Jahren hatten wir im Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung fünf Thesen aufgestellt, wie Innovation sich bis zum Jahr 2030 weiter entwickeln wird. Obwohl seit SARS relativ klar war, dass eine Pandemie eine mögliche zukünftige Entwicklung sein könnte, hatten wir dies nicht explizit zu den wichtigsten innovationssystemrelevanten Trends bei der Entwicklung der Thesen hinzugenommen. Nun scheint ein guter Zeitpunkt um sich Gedanken zu den Auswirkungen von Covid-19 auf die Zukunft der Innovation zu machen…

Covid-19 und die fünf Thesen für Innovation im Jahr 2030. Beschreibung der Thesen im Impulspapier des Fraunhofer-Verbunds Innovationsforschung (http://s.fhg.de/innovation2030)

Für die Entwicklung der Thesen für Innovation im Jahr 2030 wurden die wichtigsten innovationssystemrelevanten Einflussfaktoren berücksichtigt.  Mögliche Ereignisse wie den Ausbruch einer Pandemie hatten wir dabei in den Projektionen nicht explizit berücksichtigt (Hierzu sei auf entsprechend orientierte Zukunftsstudien verwiesen, wie bspw. Studie „Pandemische Influenza in Deutschland 2020„, die 2013 vom Fraunhofer INT erstellt wurde.)

 

Zu den Einflussfaktoren, die wir auf Basis einer Systemanalyse durch die Clusterung priorisiert hatten, gehört die digitale Transformation verbunden mit einer steigenden Digitalisierung, eine Verbreiterung der Akteursbasis, die steigende Verfügbarkeit von Wissen, eine Weiterentwicklung hin zu integrierten und hybriden Lösungen und eine steigende Komplexität als Rahmenbedingung.

Mit Hinblick auf die Auswirkungen von Covid-19 sticht natürlich sofort die digitale Transformation ins Auge. Die Entwicklung der digitalen Transformation wurde durch die Pandemie, die häufig auch als Digitalisierungs-Booster bezeichnet wird, beschleunigt. These 3  wird daher deutlich stärker in den Fokus gerückt, ein durchgängig digitalisierter Innovationsprozess bereits vor 2030 Realität werden.

Auf die Verbreiterung der Akteursbasis scheint die Pandemie unterschiedliche Auswirkungen zu haben. Einerseits werden persönliche Treffen und damit die von uns gewohnte Art der Zusammenarbeit erheblich erschwert. Anderseits erleichtert die Verbreitung digitaler Kollaborationslösungen die zeitlich und örtlich unabhängige Zusammenarbeit. Je nachdem, wie sich Unternehmen auf die Nutzung dieser Lösungen auch in frühen Innovationsphasen einlassen wird sich die Pandemie, auf die in These 1 beschriebene Offenheit von Innovationsprozessen auswirken. Nach der bisherigen Entwicklung im Rahmen der Pandemie ist die Akteursbasis seit dem Ausbruch von Covid-19 deutlich zurückgegangen.

Die aktuellen Entwicklungen deuten auf eine weitere Steigerung der Verfügbarkeit von Wissen hin. In geförderten Forschungsaktivitäten ist der Trend hin zu Open Science ungebremst, auch ein gesellschaftlicher Trend in diese Richtung zeichnet sich fort. Für Unternehmen allerdings spielt der Einsatz von Schutzrechten im Rahmen der Krisensituation und unter Berücksichtigung einer derzeit steigenden Abschottung zwischen globalen Regionen eine steigende Rolle.

Bei der Entwicklung mit Hinblick auf integrierte Lösungen lässt sich dagegen nur schwer eine Auswirkung erkennen. Hier scheint es sich abzuzeichnen, dass der Trend von Produkten und Dienstleistungen hin zu integrierten und hybriden Lösungen weiter fortschreitet.

Die Komplexität des Innovationsprozess steigt durch die Rahmenbedingungen von Covid-19 derzeit deutlich an. Es gilt neue Formen der Zusammenarbeit zu finden, das Partnernetzwerk mit Hinblick auf resiliente Innovationsaktivitäten zu erweitern und Chancen und Risiken, die sich mit recht hoher Geschwindigkeit im Rahmen der Krise ergeben haben zu berücksichtigen.

Ein möglicher Effekt der Pandemie als Form er Unsicherheit betrifft vor allem Unternehmen: hier zeichnet sich ab, dass Investitionen in das Thema Innovation eine der Einsparungsmaßnahmen darstellen, die wenig bis gar keine kurzfristigen Effekte haben. Mit Hinblick auf die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und die Aufrechterhaltung von Innovationen als Wettbewerbsfaktor gilt es dies zu vermeiden und eher die ein oder andere verfügbare Ressource zu nutzen, um die Innovationskraft zu stärken und neue Herausforderungen aktiv anzugehen.

Weitere Informationen:

Sven Schimpf